Arthrose / Kniearthrose / Arthroseprävention / Korpelaufbau
Lob den wohldosierten Schlägen

Um Missverständnisse zu vermeiden: hier geht es um die „Schlagbelastung“ der Gelenke beim Auftreten auf den Boden. Lesen Sie, wieso diese Schläge trotz ihrem schlechten Image durchaus wichtig sind für Ihre Gelenke.

Ausgangspunkt ist eine nicht so seltene Sprechstundensituation. Der Patient hat vor ein paar Wochen einen „Tram-Spurt“ hingelegt und hat schliesslich glücklich das Tram und damit seinen wichtigen Termin gerade noch erreicht. Nur schmerzte danach das Knie und tags darauf konnte er nur mit Mühe Treppensteigen. Das blieb so bis heute. Alles nur wegen einem kurz Sprint: Wie konnte das kommen?

Vor vier Jahren hat dieser Patient aufgehört zu joggen. Er hatte ab und zu im Anschluss an das Laufen Knieschmerzen und so hat er sich gedacht, dass er am besten sein Training nur noch auf dem Velo machen würde. So könne er die Schläge aufs Gelenk ganz vermeiden. Er hatte danach tatsächlich keine Kniebeschwerden mehr.

Was ist da schief gelaufen? Geht man nach den unzähligen Empfehlungen in Büchern, Artikeln und im Internet zur Arthrose- prävention, dann hat mein Patient ja genau das richtige getan. „Möglichst wenig Schläge auf das Gelenk“ lautet die einhellige Devise. Offenbar gibt es bei diesem Konzept jedoch versteckte Risiken und Missverständnisse. Die möchte ich hier beleuchten.

Kann schonen schaden?

Schonen macht in der Akutphase einer Verletzung oder einer Gelenküberlastung wie auch bei der Aktivierung einer Arthrose Sinn. Wenn der Fokus auf die Schläge beim Auftreten gerichtet wird, macht das Sinn. In diesem Moment muss das Körper-gewicht abgebremst werden und das ist durchaus mit einer relativ grossen Krafteinwirkung verbunden.

Nach der akuten Phase sieht es jedoch ganz anders aus. Dazu muss man sich die grundlegenden Anpassungsprozesse unseres Körpers und damit auch der Gelenke vor Augen halten: Die Belastbarkeit des Gelenkknorpels ist keine fest vorgegebene Grösse, sie ist vielmehr abhängig vom Trainingszustand. Bei Spitzensportlern hat man deshalb messbar dickere Knorpel-schichten nachweisen können. Fakt ist also, dass man immer nur für diejenigen Belastungen vorbereitet ist, die man auch im Alltag oder im Training auf sich nimmt. Dieses Prinzip bleibt sich gleich, auch wenn sich erste Abnützungsver-änderungen oder eben Arthrosezeichen am Gelenk zeigen, einfach auf einem etwas niedrigeren Niveau.

Training trotz Arthrose – kann das sinnvoll sein?

Wenn ein Gelenk Arthroseveränderungen zeigt, ist das jedoch noch lange nicht der Anfang vom Ende. Auch dann kann die Belastbarkeit durch einen achtsam dosierten Aufbau wieder verbessert werden. Dazu gehören sehr wohl auch die „bösen“ Schläge beim Auftreten mit dem Fuss. Bewegen sich die Intensitäten und die Dauer im Rahmen des für unseren Körper Gewohnten oder leicht darüber, dann sind diese Schläge ein konstruktives Training zum Erhalt oder zur Erweiterung unserer Möglichkeiten. Wird jedoch der Rahmen des Gewohnten deutlich überstiegen, dann führt das tatsächlich zu einer zu starken Beanspruchung und das kann zu einem Reizzstand im Gelenk führen. Wiederholen sich solche Überlastungen immer wieder, dann kann das den Arthroseprozess beschleunigen, aber nur dann.

Will jemand auch ein paar Schritte im Laufschritt machen können, ohne dass er am anderen Tag durch die Landschaft hinkt, dann gehören kurze Strecken Laufschritt in den normalen Belastungs- aufbau. Das Gleiche gilt für das Bergabgehen. (Angaben zur Dosisfindung finden Sie hier.) Daneben kann man Velofahren und Schwimmen soviel es einem Spass macht, einfach nicht ausschliesslich.

4 Kommentare to “Arthrose / Kniearthrose / Arthroseprävention / Korpelaufbau
Lob den wohldosierten Schlägen”

  1. Ute Hock schrieb:

    Toller Beitrag, Herr Dr. Reich, wie immer.

    Wie verhält sich das denn, wenn ein Läufer eine vordere Kreuzbandruptur hat?

    lg Ute Hock

  2. creich schrieb:

    Guten Tag Frau Hock
    Vielen Dank für die Rückmeldung.
    Zur Kreuzbandruptur: Diese Verletzung ist, operiert oder nicht operiert, mit einem erhöhten Arthrosersiko verbunden. In beiden Fällen sind ein guter Muskelaufbau und eine angepasste Belastungsdosierung sehr wichtig für den Verlauf. Was die die Belastung mit Schlägen beim Aufprall betrifft, ändert die vorangegangen Verletzung nichts am Prinzip. Nur für das was wir auch trainieren, ist unser Körper schliesslich vorbereite und ohne Training führen bereits banale Belastungen zu Überlastungsreaktionen. Diese wiederum fördern die Abnützungsveränderungen und verschlechtern die Prognose.
    Viele Grüsse
    Christoph Reich

  3. Fritz Daniel Merz schrieb:

    Guten Tag Herr Dr. Reich

    Ab und zu spüre ich noch diesen „nicht wirklich zu definierenden“ Stichschmerz im linken Innenbereich des Kniegelenks (Meniskusüberbelastung, evt. kleiner Riss oder Quetschung?)“. Trotzdem, ich konnte 30 Km Skaten (Langlauf), ohne Schmerzen. Einzig beim Joggen (1.20 h Uetliberg und zurück) hatte ich das letzte Mal wieder stärkere Schmerzen (vor ca. 14 Tagen). Deshalb habe ich mit dem „Joggen“ zugewartet; am nächsten Sonntag starte ich nochmals.

    Ihr Beitrag „Training trotz Arthrose“ finde ich nur logisch und gut nachvollziehbar. Mein „Bankkonto Rollerskates“, wie Sie es nennen, war praktisch auf „Null“ als ich im Herbst mit den „Langlauf-Rollerskates“ auf der Strasse das Langlauftraining beginnen wollte. Die ungewohnten Bewegungen „Skatingschritt mit links wegrutschen“ auf dem Blätterherbstasphalt belasteten offenbar eine bestimmte Zone in meinem Knie (Meniskus?). Dadurch entstand dann eine Entzündung (Reizzustand im Gelenk), die so langsam (hoffentlich) endgültig abheilen wird. Die von Ihnen „in Aussicht“ gestellt „Kortisonspritze“ ist (hoffentlich) nicht notwendig.
    Ich halte Sie auf dem Laufenden. Hören Sie nichts von mir bis Mitte Januar 2020, dann ist auch das „Jogging unter stärkerer Belastung“ wieder möglich.
    Beste Grüsse und alles Gute für 2020.
    Fritz Merz

  4. creich schrieb:

    Danke für die Rückmeldung und alles Gute für ein gesundes 2020
    Christoph Reich

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